Ausflug in die Romanik

Als sich die 6 Mitwanderer am 25. Juli 2020 in Ostkreuz zu Egon gesellten, wurde der Titel der Wanderung „Nur das Böse geht geradeaus“ allgemein auf Egons Wegeführung bezogen. Beim Umstieg in Genthin vom RE1 in den Bus blieb unser Reiseziel immer noch verschwommen: „Scharteucke/Abzweig B 107“, der Busfahrer fragte noch mal nach.

Kleinwulkow Schließlich ging die Wanderung an dieser Bushaltestelle mitten in der Prärie gegen 9 Uhr los. Aber bereits nach wenigen Kilometern waren wir auf der Straße der Romanik und an der ersten der sechs Dorfkirchen im Kirchspiel Wulkow-Wust, nämlich in Kleinwulkow. Dort wurden wir vom Vorsitzenden des Vereins Geschichtskreis und Marionettenbühne (GuM), Herrn Schulz und einer Kirchenführerin begrüßt. Die Kirche ist relativ gut restauriert und wir bekamen einen ersten Eindruck von Romanik, auch wenn der Schatz der Kirche ein barocker Taufengel ist. Wir hielten uns aber nicht sehr lange auf, denn wir hatten einen strengen Terminplan und mussten pünktlich in der jeweils nächsten Kirche sein.

Grosswulkow Von Kleinwulkow ging es durch den Wald nach Großwulkow. Dort steht die älteste romanische Backsteindorfkirche Deutschlands. Hier bekamen wir von der ausgebildeten Kirchenführerin Frau Schönfeld eine Einführung in die Symbolik romanischer Kirchen. Und dort wurde auch der Titel der Wanderung in seiner tatsächlichen Bedeutung erklärt: das Böse geht durch eine kleine Tür im Westwerk der romanischen Kirche, stößt sich im Turmraum am gegenüber der Tür befindlichen Pfeiler den Kopf, fällt in das Weihwasserbecken, das an diesem Pfeiler steht, und ertrinkt. Aber die Guten, die treu an Gott glauben, gehen um die Ecke und treten in die Kirche, das auf der Erde nachgebildete himmlische Jerusalem, ein. Mit uns hat man es zum Glück nicht so genau genommen und auf die Prüfung unseres Glaubens verzichtet, wir durften auch um die Ecke gehen. Innen hat uns besonders das spätromanische Triumphkreuz am Lettner beeindruckt. Die Art und Weise, wie man in der Reformationszeit die Altarplatte entwertet hat, kam uns ziemlich modern vor: man hat eine Ecke abgeschnitten. Am Ende nützte es nichts, die Platte samt Ecke dient heute wieder als Altar - mit einer Decke darüber.

Briest Zur nächsten Kirche in Briest ging Egon dann auch tatsächlich geradeaus auf der Straße, denn wir hatten es eilig. In der Kirche von Briest wartete Herr Schulz mit Kaffee und Kuchen auf uns. In der Kirche haben Romanik, Gotik und Barock ihre Spuren hinterlassen. Seit 1982 schon beherbergt sie die Marionettenbühne "Märchenvogel". Nicht nur das Bauwerk selbst, sondern auch die dort aufgeführten Märchen schlagen eine Brücke in die Gedankenwelt unserer Vorfahren. Hätten wir vorher gewusst, wie die Tour ausgeht, hätten wir gern auch noch eine Aufführung angesehen. Aber dazu später. Erstmal eilten wir gestärkt nach Sydow.

Sydow Dort trafen wir wieder Frau Schönfeld. Die Kirche aus dem 13. Jh. wird gerade restauriert. Trotzdem konnten wir dort etwas ganz besonderes, die Perspektivmalereien an den Apsisfenstern, besichtigen. Das schöne Eingangsportal zum ehemaligen Kirchhof stammt aus der Gotik: durch das große Tor fuhr man mit dem Wagen vor, das Fußvolk ging durch die kleine Pforte daneben. Wir kamen über die Wiese.

Melkow Weiter ging´s nach Melkow. Das gewaltige Westwerk der dortigen Kirche sah man schon von Weitem. Nochmals erklärte uns Frau Schönfeld viele Symbole der romanischen Kirchen und durch welche Zufälle Jahrhunderte alte Schätze zuweilen erhalten und wiedergefunden werden, wie z. B. der in einem Vorgarten als Pflanzschale verwendete romanische Taufstein der Melkower Kirche. Leicht amüsiert nahmen wir auch die Theorien über die Rillen und Näpfchen in den alten Ziegelsteinen außen an der Kirche zur Kenntnis. Nun ja, auch heute noch nehmen wir ja zuweilen zweifelhafte Mittel aus Drogerie und Apotheke gegen unsere Wehwehchen, zahlen dafür aber bestimmt mehr als unsere Vorfahren. Der Glaube an die Wirkung vereint uns wieder.

Wust Die letzte Kirche stand in Wust auf dem Programm. Das Wunder dieser Kirche ist, dass sie überhaupt noch steht, denn in den 1970-er Jahren drohte sie einzustürzen. Aber die vereinten Kräfte von Gemeinde, Partnergemeinden, LPG, privaten Spendern und Denkmalschutzbehörde konnten sie retten. Innen fasziniert die frühbarocke Kassettendecke. An die Kirche angebaut ist die Gruft derer von Katte. Dort erzählte uns Herr Schulz nicht nur über den berühmten Freund des Kronprinzen Friedrich, Hans Hermann von Katte, sondern auch über die Schicksale der weiteren dort aufgebahrten Familienmitglieder.

Den Kopf voll mit Geschichte und Geschichten verabschiedeten wir uns mit großem Dankeschön von Herrn Schulz und machten uns zügig auf den Weg, der immerhin bis zur nächsten Bahnstation in Brandenburg noch 11 km lang war. Der Kuchen war inzwischen auch verdaut und eine Pause fällig. Die machten wir an einem schattigen Sitzplatz in Wust Ausbau. Eigentlich hätten wir von dort die 9 km in zwei Stunden gut geschafft. Leider war der Weg ein ganzes Stück lang komplett zugewachsen und wir mussten uns durch Brennnesseln und Unterholz kämpfen. Das kostete viel Kraft und Zeit und wir haben in Großwudicke den Zug um 5 Minuten verpasst. O je, der nächste fuhr erst in zwei Stunden. Auf dem Bahnhof gab es nicht mal für alle Sitzplätze. Wir trugen´s mit Fassung. Schließlich googelten Elke und Max doch noch zwei Kneipen im Ort raus und stürmten los. Wieder kamen sie immerhin mit zwei Flaschen Bier (eine für Max und eine für Egon), die ihnen ein mitleidiger Einwohner geschenkt hat. Die Kneipen hatten beide zu. So haben wir denn zu guter Letzt auch Großwudicke in guter Erinnerung behalten, auch wenn wir erst gegen 22 Uhr Berlin erreicht haben.

Wir waren sehr beeindruckt, nicht nur von den Kirchen im Kirchspiel Wulkow-Wust, sondern auch von dem Engagement der Gemeinden, die mit ihren ehrenamtlichen Führungen und anderen Veranstaltungen den hohen Eigenanteil an der Erhaltung der Kirchen erwirtschaften. Für die Zukunft wünschen wir ihnen dabei weiterhin viel Erfolg und immer genug Nachwuchs. Sonst geht ein großer kultureller Schatz verloren.

Herzlichen Dank natürlich auch an Egon für die Organisation dieser ganz besonderen Wanderung.

Ute Poppe