Hohenofen - ein Industriedorf in der Prignitz

Ein "Industriedorf" - was es nicht alles gibt! Das Wort hatte ich ja vor Egons Wanderung am 16. Oktober 2021 noch nie gehört.

Aber fangen wir vorn bzw. früh an. Der Zug fuhr 07.31 Uhr vom Bf. Zoo. Das hieß für die meisten Teilnehmer spätestens um 5 Uhr aufstehen. Acht Wanderfreunde haben es gemacht.

Als die Wanderung in Neustadt/Dosse ca. eine Stunde später begann, war es immerhin schon hell. Am Rand des Ortsteils Spiegelberg erwähnte Egon zum ersten Mal Industrie, denn dort wurden Ende des 17. Jh. französische Glas- und Spiegelmacher angesiedelt.

Haupt- und Landgestüt Bald überquerten wir die Dosse und kamen zum Brandenburgischen Haupt- und Landgestüt. Um die Zeit war da noch nichts los und wir hatten sowieso keine Zeit, uns dort aufzuhalten. Denn um 10 Uhr waren wir in Hohenofen verabredet.

Straßenseite der Maschinenhalle Pünktlich kamen wir auf dem Hof der ehemaligen Papierfabrik an. Unsere zwei Führerinnen vom Verein Patent-Papierfabrik Hohenofen e.V. begrüßten uns mit heißem Tee aus der Thermoskanne und führten uns anschließend kompetent über das Gelände. Anhand der dort zu findenden Spuren erzählten sie uns die Geschichte und Technik.

Der Ort wurde 1663 zusammen mit einem Hüttenwerk zur Verhüttung von Raseneisenstein gegründet und war somit von Anfang an von der Industrie abhängig. Mit der Landwirtschaft, die rundum die Prignitz prägt, hatte man bis auf die Eigenversorgung mit Milch nichts zu tun. Als 1833 der Rohstoff ausging und die Hütte stillgelegt wurde, verloren die Einwohner zum ersten Mal ihre Existenzgrundlage.

Logo Rettung brachte der Verkauf an die Berliner Seehandlung, die an dem Standort eine Papierfabrik errichtete. 1838 nahm diese nach einem patentierten Verfahren mit neuester Maschinentechnik den Betrieb auf und hieß bis zu ihrer Abwicklung durch die Treuhand 1992 PATENT PAPIERFABRIK Hohenofen. Dazumal wurde Papier aus Lumpen gefertigt, die im "Lumpenhaus" gesammelt, sortiert, von Verschlüssen und dicken Nähten befreit und zerrissen wurden. Die Dosse war Transportweg für Rohstoff und Fertigware und deckte den großen Wasserbedarf der Papierherstellung.

Mehrfach wechselte das Werk den Besitzer. Der technische Fortschritt äußerte sich in immer neuen Anlagen und Anbauten und natürlich in der Erzeugung der Energie für die Produktion. Auch die Umstellung auf den Rohstoff Zellulose brachte Erneuerungen. In der Weltwirtschaftskrise musste Konkurs angemeldet werden, aber die Produktion ging nach einem Vergleich noch bis 1938 weiter. Wieder hatte das ganze Dorf danach keine Arbeit mehr.

Papiermaschine Doch 1946 wurde eine Papiermaschine aus Altteilen eines anderen Werkes in Betrieb genommen. Seit den 50er Jahren lieferte der nunmehr volkseigene Betrieb in den gesamten Ostblock. Bei der Nennung der hergestellten Papiersorten kamen wir uns ganz schön alt vor, denn im Gegensatz zu unseren jungen Führerinnen hatten wir noch selbst mit Durchschlagpapier oder Rändelband gearbeitet. Seit 1967 wurde ausschließlich Transparentpapier hergestellt.

Dreimal ging es nach einer Fabrikschließung irgendwann weiter, aber die Wende hat 1992 endgültig das Ende der Industrie in Hohenofen besiegelt.

Für uns kam aber noch der Höhepunkt der Führung, die Besichtigung der ca. 50 m langen Papiermaschine, auf der sogar noch alte Papierrollen hingen.

Alte Bienenkörbe Inzwischen ist die Patent Papierfabrik ein Industriedenkmal. Für ein solches wird die Erkundung, Erhaltung und denkmalgerechte Nutzung gefördert. Es gibt viel zu tun, ein Verein engagiert sich zusammen mit Archäologen, Technikstudenten und anderen. Der neue Eigentümer züchtet derweil dort Bienen.

Dreetzer See Wir waren nach zwei Stunden Führung so durchgefroren, dass auch der nochmal angebotene heiße Tee nichts mehr genützt hätte. Es half nur schnelles Laufen. Nach ca. einer Dreiviertelstunde waren wir soweit wiederbelebt, dass wir am Waldrand Mittagspause machen konnten. Da die am Rasenhang nicht sehr bequem war, genehmigte uns Egon am Dreetzer See noch eine Viertelstunde Sitzen auf den Bänkchen. Die Landschaft ist von der Landwirtschaft geprägt, entsprechend waren die Wege. Wir stapften durch hohe Sandfurchen, konnten im nassen Gras etwas Sand wieder abstreifen und empfanden Plattenwege direkt als Wohltat. Trotzdem hatten wir ein ordentliches Tempo, so dass wir nach 29 km gegen 17.30 Uhr den Bf. Friesack erreichten.

Es wäre sicher interessant, in ein paar Jahren zu sehen, wie sich das Industriedenkmal Patent Papierfabrik Hohenofen entwickelt hat. Vielleicht besuchen wir auch mal einen Weihnachtsmarkt auf dem Hof. Für heute bedankten wir uns bei Egon für den sehr interessanten Tag, nicht ohne uns nach der nächsten Wanderung zu "Orte(n), die Industriegeschichte schrieben" zu erkundigen.

Ute Poppe